Sonntag, 7. Februar 2016

Vereine, Gewerkschaften und Organisationen

Bereits im 14. und 15. Jahrhundert gab es Bruderschaften unter den Hutmachern. Diese Zusammenschlüsse beruhten auf wohltätigen, frommen und brüderlichen Aktivitäten. Im Mittelalter gab es noch keine staatlich gesicherten Hilfeleistungen bei Erwerbslosigkeit oder Krankheit, weshalb diese Bruderschaften eine große Hilfe für in Not geratene waren. Nach der Gründung des Deutschen Reiches 1871 und dem damit einhergehenden Ende der Kleinstaaterei entwickelte sich aus den Bruderschaften der „Zentralverein der Deutschen Hutmacher“. 
Die Hutmacher gehörten im 19. Jahrhundert mit zu den bestorganisiertesten Verbänden. Viele waren damals in sozialdemokratisch orientierten Gewerkschaftsgruppen engagiert, welche zahlreiche Streiks, die meist eine Steigerung des Lohnes zum Ziel hatten, organisierten. Die Verbindung zwischen den Gewerkschaften und Unternehmern wurde von den in den Betrieben tätigen Werkführern und Meistern abgesichert.
Die von Bismarck im Jahre 1879 eingeführten Sozialistengesetze sahen ein Verbot aller sozialdemokratischen Parteiorganisationen sowie ihrer Vereine und Schriften vor. In Folge dessen gründeten sich in den nächsten Jahren viele scheinbar unpolitische Vereine und Verbände.

Gesangsverein


Viele der Gesellen und Lehrlinge organisierten sich nach der Arbeit im 1875 gegründeten Hutmacher Gesangsverein, der über 260 Mitglieder zählte. Um Mitglied dieses Vereins zu werden, musste man mindestens 18 Jahre alt sein und einen „unbescholtenen Ruf im bürgerlichen Leben haben“. Die Anmeldung erfolgte schriftlich oder mündlich beim Vorstand, welcher dann innerhalb von acht Tagen eine Ballotage, also eine geheime Abstimmung mit weißen oder schwarzen Kugeln, abhielt. 

War die Aufnahme genehmigt, waren die Mitglieder verpflichtet, einen einmaligen Betrag von 50 Pfennig und eine regelmäßige Gebühr von 10 Pfennig zu leisten. Die Pflichten der Mitglieder bestanden darin, den Beitrag pünktlich zu zahlen sowie an den Proben teilzunehmen. Diese fanden mittwochs im Gasthof „Goldener Hirsch“, der sich in der Teichstraße 9 befand, um 8:30 Uhr abends unter dem Dirigenten Gustav Haack statt. 

Im Gesangsverein verliehen die Hutmacher ihrem Stolz auf ihr Handwerk und ihrem starken Gemeinschaftsgefühl Ausdruck. Es ist denkbar, dass in der Zeit der Sozialistengesetze während der Mitgliederversammlungen auch gemeinsame Aktivitäten besprochen wurden. Da Gesangsvereine leichter vor den Kontrollen der Polizei zu verbergen waren, dienten sie damals sehr häufig als Deckmantel für politische Organisationen.

Unterstützungsverein


Nach der Verkündung der Sozialistengesetze 1879 wurde der „Zentralverein der Deutschen Hutmacher“ verboten, sodass im Mai 1880 die „Kranken- und Sterbekasse der Hutmacher“ in Altenburg gegründet wurde. Im Jahre 1898 erweiterte sich der Mitgliederkreis im „Unterstützungsverein für alle in der Hut- und Filzwarenbranche beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen“ mit Vereinssitz in Altenburg (Wallstraße 9). 

Zweck des Unterstützungsvereins war es, die privaten und gewerblichen Interessen seiner Mitglieder zu vertreten. So unterstützte er die Gesellen beispielsweise bei Erwerbslosigkeit am Ort und auf der Wanderschaft oder Invalidität.
Der Schwerpunkt lag auf der Zusicherung eines unentgeltlichen Rechtsschutzes bei gewerblichen Streitigkeiten. Zudem wurden regelmäßige Mitgliederversammlungen und zeitgemäße Vorträge über die Entwicklung des Handwerkes organisiert und Bibliotheken eingerichtet. Sprachrohr des Vereins war die Hutmacherzeitschrift „Korrespondent für Arbeiter und Arbeiterinnen der Hut- und Filzwarenindustrie“, die jedes Mitglied unentgeltlich erhielt. Die erforderliche Anmeldung konnte beim Vereinsvorstand von allen beantragt werden, die in der Hut- und Filzwarenindustrie tätig waren. Bei Annahme wurde der Name des neuen Mitglieds in dieser Zeitschrift veröffentlicht, was für Transparenz sorgte.

Zu den Aufgaben der Mitglieder gehörte es, ihre Beiträge (zwischen 30 bis 150 Pfennig) zu zahlen, die Statuten einzuhalten und über das aktive und passive Wahlrecht bei den Vorstandswahlen mitzuwirken. Bemerkenswert war, dass alle Vorstandsmitglieder ihren Wohnsitz in der unmittelbaren Umgebung des Vereinssitzes haben mussten. Das war nötig, um schnell auf Probleme reagieren zu können, da damals ein zeitaufwendiger Briefwechsel die einzige Alternative war, miteinander in Kontakt zu treten. Zu den wichtigsten Pflichten des Vorstandes gehörte die Vertretung der Interessen des Vereins gegenüber dem Staat, den Behörden und Dritten. Außerdem wurden die Statuten aufrechterhalten und ergänzt. In dringenden Fällen war es dem Verein überdies möglich, Nichtmitgliedern Unterstützung zu gewähren. An dieser Stelle zeigt sich die große Solidarität unter den Hutmachern.

Insgesamt unterscheidet sich der Unterstützungsverein nicht stark von den Unterstützungsmaßnahmen heutiger Gewerkschaften, da versucht wurde, für die in Not geratenen Mitglieder durch vielfältige Maßnahmen Hilfe zu leisten. 

Vereinigung der Hutmacher
MLS

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